Unter einer Hernie (Weichteilbruch) versteht man eine beulenartige Vorwölbung der Bauchwand.
Eine Hernie tritt häufig an Stellen auf, wo die Bauchdecke in ihrer Kontinuität unterbrochen ist, wo Schwachstellen bestehen und/oder wo Organe/Strukturen durch die Bauchdecke ziehen. Akute (durch schweres Heben oder Tragen) oder chronische Druckerhöhung (Schwangerschaft, Tumore im Bauch oder erhöhter Fettanteil im Bauchraum) begünstigen die Entstehung einer Hernie.
Hernien können verschieden groß sein und an verschiedenen Stellen auftreteten. Meistens entstehen Hernien an Stellen, an denen natürliche Kontinuitätsunterbrechungen der Bauchdecke bestehen: nämlich dort, wo Strukturen die Bauchdecke durchbrechen / verlassen und so Schwachstellen in der Bauchdecke entstehen: Die häufigsten sind Leistenbruch durch Samenstrang und Mutterband, Nabelbruch durch Nabelschnur, Narbenbruch nach Operationen / Verletzungen, Zwerchfellbruch durch die Speiseröhre. Wenn eine Lücke in der Bauchdecke entsteht, wölbt sich zuerst das Bauchfell durch die Lücke vor. Die Entstehungsgeschwindigkeit einer Hernie ist zuerst langsamer und in weiterer Folge ab einer gewissen Größe schneller. Somit ist die Dynamik von der Größe der Hernie, dadurch von der Wandspannung an den Rändern und auch vom Bauchrauminnendruck in Analogie zum Laplace Gesetz direkt proportional abhängig. Durch den Überdruck im Bauchraum können bei entsprechender Größe der Hernie auch Eingeweide folgen. Abhängig von Größe des Bruchs bzw. Größe des Organs kann es zu Einklemmungen kommen. Besteht der Verdacht eines eingeklemmten Bruchs (Inkarzeration), soll unverzüglich kompetente medizinische Hilfe in Anspruch genommen werden (=medizinischer Notfall), da es sonst im schlimmsten Fall zum Organverlust durch Abschnürung der Durchblutung oder zum Darmverschluß kommen kann.
Hernien können angeboren oder erworben sein. Meist machen kleinere Brüche größere Beschwerden, da es hier eher zu Einklemmungen kommt. Größere Brüche hingegen bringen andere Probleme mit sich. Insbesondere bei sehr großen Brüchen, bei denen sich ein Großteil der Organe nicht mehr im Bauchraum, sondern im Bruch befindet (loss of domain), kann die chirurgische Rekonstruktion der Bauchdecke sehr schwierig sein.
Deutlich seltener als äußere Hernien sind sog. innere Hernien und stellen immer eine dringliche Operationsindikation dar.
Nicht jeder Bruch muss unbedingt chirurgisch behandelt werden. Eine Hernie sollte immer dann behandelt werden, wenn Beschwerden auftreten oder aber auch, wenn sich der Bruch nicht mehr zurückdrücken läßt. Ein seit Jahren bestehender Bruch ohne Symptome muss nicht obligat behandelt werden.
Die Ursachen der Entstehung sind mannigfaltig: diskutiert werden Störung auf zellulärer Ebene nämlich bei der Kollagensynthese. Bei gehäuften Auftreten von Hernie werden sowohl Typ I Kollagen, aber vor allem Typ III Kollagen weniger synthetisiert und in geringerem Ausmaß im Gewebe nachgewiesen. Auf diesem Weg ist auch eine familiäre Häufung von Hernien erklärbar. Ein gewisse Rolle könnte auch ein Missverhältnis von (Reiß)Festigkeit des Stütz- und Halteapparats u.a. der Muskelhäute (=Faszien) und dem kontraktilen Element, der Muskulatur zugunsten der Muskulatur spielen. Begünstigend für die Entstehung der Hernien ist weiters erhöhter Druck im Bauchraum. Hier sollte auch ein Fokus des Therapieansatzes sein. Der Druck im Bauchraum wird in den meisten Fällen durch Anspannen der Bauchmuskulatur (z.B. beim Heben, Tragen, Sport, Husten , Niesen, Pressen wie bei Obstipation) und somit Verkleinerung des Bauchinnenraums bei gleichbleibendem Volumen der Eingeweide hervorgerufen oder primär durch Adipositas (Fettleibigkeit) bzw. großen Tumoren im Bauchraum. Auch eine Schwangerschaft oder eine (schwierige) natürliche Geburt und damit verbundenen hohen Druckverhältnissen im Bauchraum, die sich auf die Bauchdecke übertragen, können die Entstehung von Hernien begünstigen.
Bei Übergewicht bringt eine Gewichtsreduktion sowohl für, als auch nach der Operation durch Reduktion des Drucks im Bauchraum entscheidende Vorteile und sollte deswegen unbedingt angestrebt werden. Die Therapie der Hernie kann offen oder laparoskopisch mit oder ohne Implantation eines Kunststoffnetzes (Prothese) vorgenommen werden.
Die offenen Techniken sind:
Primärer Bruchpfortenverschluss mit oder ohne Doppelung der tragenden Schicht (Faszie): Bassini, Shouldice, Mayo OP. Diese Techniken werden nur mehr in Ausnahmefällen vorgenommen. Moderne Techniken bedienen sich des sog. spannungsfreien Verschlusses in Kombination mit einer großflächigen Kunststoffnetzverstärkung. Je nach Lage unterscheidet man eine Netzimplantation in sublay oder onlay Technik; hier wird der Bruch verschlossen und mit einem Netz verstärkt: Lichtenstein, Verschluss einer Bauchwandhernie in sub-, oder onlay Technik.
Die laparoskopischen Techniken sind:
TAPP (Transabdominelle präperitoneale Netzplastik) und TEP (Total extraperitoneale Netzplastik) für den Leistenbruch, IPOM (Intraperitoneales onlay mesh) für die Bachwandbrüche. Das IPOM plus ist eine Kombination aus Verschluss des Bruchs mit einer nicht resorbierbaren Naht und einer laparoskopischen Netztimplantation.
Moderne Techniken bei großen Hernien und Hernien an der seitlichen Bauchwand:
Große Defekte in der Bauchdecke bringen ziemliche Herausforderungen für den Chirurgen mit sich. Einerseits kommt es im Zuge der Rückverlagerungen der Eingeweide vom Bruchsack in den Bauch zu einem entsprechenden Druckanstieg im Bauch. Das kann zu großen Problemen führen und andererseits kann ein großer Bauchdeckendefekt selten spannungsfrei verschlossen werden. Der spannungsfreie Verschluss der Bauchdecke ist aber für einen komplikationslosen Verlauf und für ein nachhaltiges Ergebnis essenziell. Es stehen nun eine Reihe von Möglichkeiten für eine Konditionierung zur Verfügung, um diese Problematik zu lösen. Die erste Möglichkeit ist eine präoperative Dehnung der Bauchdecke durch kontinuierliche CO2 Insufflation. - ein sehr aufwändiger Prozess. Neuer und besser ist die Technik Botox ultraschallgezielt in alle Schichten der seitlichen Bauchdecke rd. 3 Wochen vor der geplanten Operation der Hernie zu injizieren. Damit kommt es durch Entspannung und Dehnung der geschrumpften Faszien zu einem Gewebsgewinn und somit kann ein spannungsfreier Verschluss von mittelgroßen Brüchen vorgenommen werden. Bei größeren Brüchen kann man einen sog. "lateralen release", bzw. eine Komponentenseperation nach Ramirez vornehmen. Mit dieser Technik können auch große Brüche erfolgreich und nachhaltig verschlossen werden. Bei lateralen Bauchwandbrüchen, insbesondere bei Brüchen außerhalb der Rektusscheide, kommt eine andere Technik zum Einsatz: eine TAR (transversus abdominis release). Diese Technik erlaubt es die gesamte Bauchdecke bei sehr großen und komplexen Brüchen, die weit nach aussen reichen mit einem großen Kunststoffnetz nachhaltig zu rekonstruieren. Andere Techniken wie eMilos und eTEP finden bei gleichzeitiger Rektusdiastase und Hernie ihre Anwendung.
Die Entscheidung welches Verfahren zur Anwendung kommt wird individuell entschieden, wobei die Größe des Bruchs, die Lokalisation, etwaige Voroperationen und der Patientenwunsch in die Entscheidungsfindung einfließen.